Bedarfserhebung Kinder- und Jugendarbeit in Berlin Tempelhof-Schöneberg
Ausgangspunkt
Tempelhof-Schönberg
(TS) zählt zu den bevölkerungsreichsten Bezirken Berlins (EW: 351.000) und birgt mit seinen sieben Bezirksregionen ein Portfolio, welches ausdifferenzierter kaum sein könnte. Einfamilienhausgebiete, Plattenbausiedlungen oder bereits in der Gründungs- und Kaiserzeit historisch gewachsene Stadtquartiere prägen das Stadtbild, flankiert durch Brache, Geschäftigkeit, Gewerbe(zentren) und einem mal mehr, mal weniger dichten Verkehrsnetz. Von grüner Stadtrandatmosphäre bis urbaner Großstadtkultur – Tempelhof-Schöneberg ist facetten-reich. Gleiches gilt auch für die Menschen, die hier leben.
In der für Kinder- und Jugendarbeit relevanten Altersspanne von sechs bis 27 Jahren, leben in TS etwa 68.560 junge Menschen (Stand 31.12.2019). Neben den oft zum Ganztag ausgebauten Schulen, Sportvereinen und anderen Optionen zur Freizeitgestaltung wie Musikschule oder Spielgelände im Öffentlichen Raum, finanziert das Bezirksamt TS derzeit 36 Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen in kommunaler und freier Trägerschaft. Als Orte der Demokratiebildung nach § 11 SGB VIII wird jungen Menschen hier eine Vielzahl offener, aber auch themenspezifischer Angebote wie Jugendkulturarbeit, politische Bildung oder Natur- und Bewegungspädagogik offeriert. Jährlich frequentiert werden die Treffs von etwa 3.680 regelmäßigen und 18.640 unregelmäßigen jungen Menschen. Etwa 60.070 Besucher*innen besuchen darüber hinaus die Veranstaltungen, weitere 46.870 externe Nutzer*innen nehmen die Räumlichkeiten darüber hinaus noch anderweitig in Anspruch (Stand: 31.12.2017).
Forschungsinteresse
Im Fokus des Forschungsprojektes „Bedarfserhebung Kinder- und Jugendarbeit in Berlin Tempelhof-Schöneberg“ steht die Perspektive der im Bezirk lebenden und sich diesen auf vielfältige Weise aneignenden Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden (junge Menschen). Unter Rückgriff auf ein methodenplurales Forschungsdesign soll herausgestellt werden, wie junge Menschen in Tempelhof-Schöneberg ihre Lebenswelt gestalten und sich diese in und zwischen den Sozialräumen und über die Bezirksgrenzen hinweg, wie (Praktiken) und mit welchen Motiven, in welchen Zusammenhängen bewegen. Sowohl die derzeitige Freizeitgestaltung junger Menschen (Ist-Zustand) als auch die Frage nach dem Bedarf und damit verbundenen potentiellen, blinden Flecken innerhalb der vorhandenen Infrastruktur (Soll-Zustand, Bedarf) soll Gegenstand der Betrachtung sein. Im Anschluss an zwei Sozialraumanalysen aus den Jahren 2017 und 2019 (Hübner 2018, 2019) in den
Sozialräumen Marienfelde
und Lichtenrade werden bei der gesamtbezirklichen Betrachtung folgenden Teilbereiche betrachtet:
- Junge Menschen im öffentlichen Raum
- Junge Menschen im halb-öffentlichen Raum
- Besucher*innen der bezirklichen Kinder- und Jugendeinrichtungen nach § 11 SGBV VIII
- junge Menschen, die als "schwer erreichbar" und "kaum sichtbar" markiert werden
Die Reflexion von Differenzkategorien und -linien wie Geschlecht, Alter oder Migration sind unter Berücksichtigung eines intersektionalen und postkolonialen Forschungsansatzes integraler Bestandteil.
Die derzeitigen Herausforderungen und Einschränkungen rum die Corona-Pandemie wird die zweijährige Untersuchung (Juni 2020 bis Dezember 2021) deutlich beeinflussen. Die Studie bietet damit die einmalige Gelegenheit, sich bewusst der kindlichen und jugendlichen Auseinandersetzung mit dem Corona-Virus‘ zu widmen und diesen herauszuarbeiten: „Wie also geht es jungen Menschen in Tempelhof-Schöneberg in Zeiten der Corona-Pandemie? Wie verbringen sie ihre Freizeit unter diesen Umständen und welche Bedarfe lassen sich ableiten?“ Diese Perspek-tiven sollen die Erhebung ausdrücklich ergänzen.
Forschungsvorgehen
Bei der Untersuchung handelt es sich um ein induktives Praxisforschungsprojekt, das den Akteur*innen (jungen Menschen & Sozialpädagog*innen) auf Augenhöhe begegnet. Die Erhebungsmethoden sind vielfältig und werden im Forschungsprozess selbst entwickelt und dem Praxisbedarf folgend flexibel angepasst. Grundsätzlich sollen folgende Formate zur Anwendung kommen:
- ethnografische Beobachtungen im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum
- qualitative Interviews mit Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden
- Zukunftswerkstätte in und mit den bezirklichen Kinder- und Jugendeinrichtungen
- qualitative Interviews mit Jugendarbeiter*innen, Straßensozialarbeiter*innen,
- Schulsozialarbeiter*innen auch Sozialraumkoordinator*innen
- quantitative Erhebungen zur Abfrage der jungen Menschen und sozialpädagogischen Akteur*innen
Die Bedarfserhebung besteht sozialräumlichen Betrachtungsweisen aller sieben Bezirksregionen (Sozialraumanalyen). Für jede Bezirksregion wird auf Grundlage der empirischen Ergebnisse ein schriftlicher Abschlussbericht entwickelt. Die Bedarfserhebung endet mit einem finalisierten Gesamtbericht, der alle sieben Sozialraumanalysen diskutiert und Rückschlüsse für die bezirkliche Kinder- und Jugendarbeit und darüber hinaus in Tempelhof-Schöneberg identifiziert.
Projektteam
Das Projekt ist an den sich in Gründung befindenden Träger der freien Jugendhilfe „Jugend, Bildung, Forschung – Verband für Praxis und Wissenschaft“ angegliedert und wird in Kooperation mit der
Alice-Salomon-Hochschule Berlin
implementiert. Das Projektteam besteht aus fünf Forschenden, die auf eine langjährige Expertise in der Jugendarbeit und Jugendarbeitsforschung zurückgreifen können.
Auftraggeber*in
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg Berlin,
Jugendamt
Tempelhof-Schöneberg
Abteilung: Kinder-, Jugend- und Familienförderung
Projektverantwortliche: Mareen Claus & Jennifer Hübner